Mobile Times Alcatel & Lucent werden Alcatel-Lucent
Startseite : Archiv : Alcatel & Lucent werden Alcatel-Lucent

    Seit 1. Dezember 2006 gibt es ein neues Unternehmen mit 88.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 21 Milliarden Euro. Das durch eine Fusion entstandene Unternehmen hat seinen Sitz am alten Alcatel-Sitz in Paris. Chief Executive Officer ist die ehemalige Lucent-Chefin Patricia Russo, Vorsitzender der bisherige Alcatel-Boss Serge Tchuruk.

Die Vorgeschichte der «Fusion»
    Die Fusion, die eigentlich ein Kauf von Lucent durch Alcatel ist, hätte schon viel früher passieren sollen. Denn grundsätzlich war man sich schon 2001 einig, dass man zusammenpasst. Die Gespräche damals waren aber daran gescheitert, dass sich Lucent damals noch in einem relativ besseren Zustand befand und der Unterschied nicht so gross wie heute war. Daher bestand Lucent vehement auf der Fusion «gleich starker» Unternehmen, was die Franzosen wohl nicht goutierten. Zudem gab es von amerikanischer politischer Seite Bedenken wegen der Forschungsarbeit der zu Lucent gehörenden Bell Labs im militärischen Bereich.
    Seit damals hat sich einiges geändert, denn während sich Alcatel seither von den Verlust bringenden Aktivitäten trennen konnte, schaffte das Lucent nicht. Dazu kam Lucent im Heimatmarkt USA zunehmend unter Druck, denn durch die Fusion verschiedener US-Betreiber (z. B. Sprint mit Nextel und SBC/AT&T mit BellSouth) stand man plötzlich viel stärkeren Kunden gegenüber. Da Lucent von den US-Betreibern weit stärker abhängig ist als Alcatel wurden die Chancen für Lucent nicht besser, obgleich auch Alcatel z. B. gegen neue asiatische Anbieter wie Huawei oder ZTE zu kämpfen hatte.

Patricia F. Russo Serge Tchuruk
Patricia F. Russo
CEO von Alcatel-Lucent
Serge Tchuruk
Vorstandsvorsitzender von Alcatel-Lucent
Der schnelle Weg zur «Fusion»
    Anfang 2006 sah die Situation für Alcatel so gut aus, dass man einen erneuten Versuch der Übernahme von Lucent starten konnte: Der Jahresumsatz von Alcatel lag bei 13,3 Milliarden und der von Lucent bei 7,5. Noch schlimmer sah es für Lucent beim Marktwert aus: Geschätzten zehn Milliarden für das US-Unternehmen stand ein Wert von 18,3 Milliarden für den französischen Konzern gegenüber.
    Im März 2006 (MTW 0218 vom Montag 2006-03-27) bestätigten die Unternehmen dann öffentlich, dass man über eine mögliche Vereinigung der beiden Unternehmen spreche. Schon damals wurde spekuliert, dass Lucent-Chefin Patricia F. Russo der Boss des neuen gemeinsamen Unternehmens werden könnte, weil damit die bittere Pille, dass es sich im Endeffekt doch um eine Übernahme von Lucent durch Alcatel handelt versüsst würde - als Vergleich wurde gerne die Vereinigung der beiden «gleichen» Daimler Benz und Chrysler zu DaimlerChrylser angeführt - und andererseits hätte Alcatel damit gleich einen Nachfolger für den doch schon recht pensionsreifen Serge Tchuruk, der schon 68 Jahre alt war.
    Kaum eine Woche nachdem die Gespräche öffentlich zugegeben worden waren, verkündete man (MTW 0219 vom Montag 2006-04-03), dass man die Gespräche über eine mögliche Vereinigung der beiden Unternehmen erfolgreich abgeschlossen habe.

Erneute Sicherheitsbedenken
    Wie schon beim ersten Anlauf 2001 kommt es in den USA zu Bedenken. Schliesslich arbeiten die zu Lucent gehörenden Bell Labs an einer Reihe von Geheimaufträgen der US Regierung, speziell im militärischen Bereich. Ausserdem, so wird kritisiert, sie die geplante Fusion von zwei gleichen Partnern nur formal eine solche, denn Alcatel sei etwa doppelt so gross ist wie Lucent. Die Bundesbehörden sollen daher dazu veranlasst werden, die Fusion als Übernahme zu qualifizieren und entsprechend zu untersuchen.
    Die Situation in den USA war und ist natürlich durch den «Krieg gegen den Terror» bestimmt. Erinnern wir uns, dass gerade als die Fusion von Alcatel & Lucent ins Gespräch kam, eine Firma aus Dubai das Abwickeln des Be- und Entladens in sechs US-Häfen übernehmen wollte, was zu einer heftigen Diskussion über die «nationale Sicherheit» führte und das Unternehmen aus Dubai schlussendlich zwang, die Übernahme abzusagen.
    Wie viel schwieriger konnte es da werden, ein Unternehmen zu kaufen, dass tatsächlich und direkt für die «nationale Sicherheit» arbeitet?
    Alcatel hatte dafür aber bald eine Antwort: Die Bell Labs werden in eine eigene Tochterfirma ausgegliedert, die einen autonomen Vorstand bekommt. Dieser besteht nur aus US-Bürgern, die durch die US-Behörden nominiert werden. Das ist wahrscheinlich erstmals in der Geschichte, dass der Eigentümer eines Unternehmens ausdrücklich darauf verzichtet, dessen Geschäftsführung zu bestellen und zudem auch nicht wissen will, was in dem ihm gehörenden Unternehmen geschieht.

Der Kaufpreis wird festgelegt
    Mitte April 2006 (siehe MTW 0220 vom Montag 2006-04-14) wurde der Kaufpreis von Lucent mit 13,4 Milliarden US-Dollar in Form von Alcatel-Aktien festgelegt. Auch dass das internationale Hauptquartier in Paris bleibt wurde nun festgeschrieben.
    Klar ist jetzt auch, dass der kombinierte Umsatz beiden Unternehmen mit rund 21 Milliarden Euro deutlich über dem des bisherigen Marktführer Ericsson (19,9 Milliarden) liegt.
    Wie erwartet wird Pat Russo als Nachfolgerin von Serge Tchuruk zum neuen Chef des Unternehmens. Der Name bleibt vorläufig einfach Alcatel, obwohl manche Analysten in den USA «Lucatel» und in Europa «Alcacent» vorschlugen.
    Dass die Mitarbeiter betroffen sein werden, wird jetzt ebenfalls bekannt, denn zur Kostensenkung sollen rund 8.800 von ihnen eingespart werden.

Die Regierungen kommen ins Spiel
    Einige Monate liefen die Vorbereitungen zur Übernahme von Lucent im Stillen weiter, dann stellte die US-Antitrustbehörde beim US-Justizministerium fest, dass von ihrer Seite keine Aktion nötig ist. Das heisst also, aus der Sicht der US-Antitrustbehörde gibt es kein Hindernis für die Fusion. (MTW 0229 vom Montag 2006-06-19)

Seitenangriff auf Kanada
    Ziemlich überraschend meldet Anfang September der kanadische Netzwerkausrüster Nortel, dass er seinen UMTS-Bereich um 320 Millionen Dollar an Alcatel verkauft hat. Die Branche ist verblüfft, denn eigentlich wartet man nun schon seit Monaten - die US-Antitrustbehörde hat ja schon im Juni entschieden - wie es mit Alcatel und Lucent weiter geht. (MTW 0236 vom Montag 2006-09-04)
    Mitte September beschliessen dann die Aktionäre von Alcatel in Paris der Übernahme von Lucent zuzustimmen. Auch die Aktionäre von Lucent in Murray Hill (New Jersey) fassen einen Beschluss: Sie stimmen der Fusion mit Alcatel zu. (MTW 0237 vom Montag 2006-09-18)
    Die Regierungsmühlen mahlen aber noch immer: Auch das CFIUS (Committee on Foreign Investment in the United States) muss seine Zustimmung geben - und die ist Ende November plötzlich da. Das Problem mit der «nationalen Sicherheit» ist gelöst und die Fusion kann endlich über die Bühne gehen. (MTW 0247 vom Montag 2006-11-27)

Alcatel
+
Lucent Technologies
=
Alcatel-Lucent
Die Fusion zu «Alcatel-Lucent»
    Am 1. Dezember ist es dann tatsächlich so weit: Die alte Firma Alcatel präsentiert sich nun doch mit einem neuen Namen als Alcatel-Lucent, Serge Tchuruk erklärt den Doppelnamen als Signal an die Kunden, dass die kombinierten Unternehmen sowohl Kontinuität als auch Dynamik versprechen.
    Natürlich gehört zu einem neuen Namen auch ein neues Logo. Für Patricia Russo repräsentiert das neue Logo die unendlichen Möglichkeiten der Zukunft und die Selbstverpflichtung ein starker und ausdauernder Alliierter der Kunden rund um die Welt zu sein.
    Das Unternehmen erklärt das neue Logo als stilisierte Version des Unendlichkeitssysmbols, das so aussehen soll, als ob es mit der Hand gezeichnet worden wäre. Gleichzeitig soll es auch die Buchstaben A und L enthalten. Das Symbol soll sowohl das Fliessende als auch das Unendliche ausdrücken. Als Farbe hat man Purpur gewählt und meint, dass diese Farbe Ambition signalisiert aber auch Kreativität, Weisheit und Würde.

Bevor die Arbeit los geht
    Alcatel gibt noch rasch vor der tatsächlichen Fusion Bereiche mit rund 11.000 Mitarbeitern an den ebenfalls französischen Konzern Thales ab. Hier handelt es sich um die Bereiche Satellitentechnik, Transportsysteme und alles was mit dem grossen Bereich Sicherheit zu tun hat. Wirklich getrennt hat sich Alcatel von diesen Bereichen nicht, denn für die übergebenen Teile handelt man sich eine Aufstockung des ursprünglich 9,5 Prozent betragenden Anteils an Thales auf mehr als zwanzig Prozent ein.

Basisdaten des neuen Konzerns
    Alcatel-Lucent ist nach eigener Rechnung Weltmarktführer von Kommunikationslösungen. Die absolute Führungsposition hat man nach eigener Einschätzung bei der Ausrüstung von Mobilfunk- und Festnetzen sowie konvergenten Breitband-Netzen und bei IP-basierten Technologien, Anwendungen und Diensten. Und jedenfalls «hervorragend aufgestellt» sei man im Bereich Unterstützung der Transformation der Netze von Diensteanbietern, öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen.
    Nach der Ausgliederung verschiedener Aktivitäten an Thales beträgt der kombinierte Jahresumsatz Pro forma auf Basis des Geschäftsjahres 2005 immer noch stattliche 18,6 Milliarden Euro. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung liegen bei 2,7 Milliarden Euro und an Ingenieuren beschäftigt man weltweit rund 23.000. Insgesamt werden derzeit 79.000 Menschen beschäftigt. Nach den bekannt gewordenen Planungen soll davon jeder zehnte entbehrlich sein, was dem Unternehmen Einsparungen von 1,4 Milliarden Euro jährlich bringen soll. Andere Zahlen sprechen von 9.000 Mitarbeitern, die man einsparen könnte.
    Die bisherigen Aktionäre von Lucent erhielten für jede Aktie ein Bezugsrecht für 0,1952 «Alcatel-Aktienersatzanteile» (ADS, American Depository Share). Damit diese ADS auch in Aktien verwandelt werden können, hat Alcatel entsprechend dem Gesamtvolumen der ADS rund 878 Millionen neue Aktien ausgegeben. Insgesamt sind damit dann nach der Fusion rund 2,31 Milliarden Stammaktien von Alcatel-Lucent im Umlauf.

Die Organisation
    Das Unternehmen soll in vier geographische Regionen eingeteilt werden:
- Asia-Pacific
- Europe and North
- Europe and South
- North America.
    Parallel dazu gibt es Geschäftsfelder (Business Groups):
- Wireline Business Group für das Festnetzangebot
- Wireless Business Group für das Mobilfunkangebot
- Convergence Business Group für den Betreibermarkt
- Enterprise Business Group für Unternehmenskunden
- Service Business Group wohl auch für Unternehmenskunden.
    Jede dieser Business Groups bekommt eine dezentrale und regionale Organisation. bekommen, die eine starke Kundenbetreuung vor Ort ermöglichen soll.
    Schliesslich wird es auch noch zentrale Funktionen geben wie zum Beispiel weltweit integrierte Versorgungsketten- und Beschaffungsprozesse, Finanzwesen, Informationstechnologie, Marketing, Personal-, Rechts- und Kommunikationsabteilungen.

Erste Nacharbeiten
LGS für die Nationale Sicherheit der USA...
    Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen Unternehmens gehörte die Gründung einer unabhängigen Tochterfirma, die für alle Aufträge der US-Regierung zuständig ist. Das neue Unternehmen nennt sich LGS und wird in Vienna/Virginia angesiedelt.
    Es entsteht durch die Zusammenlegung der bisherigen Geschäftseinheiten Lucent Government Solutions, Alcatel Government Solutions und dem früheren Government Communications Lab von Bell Labs. LGS wird der einzige Auftragnehmer der US-Regierung sein und zwar für alle Aufträge und nicht nur für jene, die der Geheimhaltung unterliegen. LGS bekommt eine eigene Führung und einen eigenen Verwaltungsrat, dem zu Beginn drei ehemalige Mitglieder der nationalen Sicherheitsrates der USA angehören: William Perry (ehemaliger Verteidigungsminister), James Woolsey (ehemals CIA-Direktor) und Kenneth Minihan (ehemals Direktor der NSA).
    CEO von LGS wird Ron Iverson, der von Northrop Grumman kommt, wo er für die Koordination der Geschäfte mit der Air Force zuständig war. COO und CTO wird mit Dave Bishop der ehemalige Präsident der «Bell Labs Government Research and Security Solutions».
...und Thales für Europa
    Wie angekündigt schloss Alcatel-Lucent am 4. Dezember 2006 mit Thales eine Vereinbarung über den Transfer der Aktivitäten von Alcatel-Lucent in den Bereichen Transport, Sicherheit und Raumfahrt an Thales.
    Zuvor musste eine neue Vereinbarung zwischen Thales, Alcatel-Lucent und Finmeccanica geschlossen werden, denn die Zustimmung von Finmeccanica zum Transfer der Anteile von Alcatel-Lucent an Alcatel Alenia Space und Telespazio - beide Unternehmen sind Joint Ventures mit Finmeccanica - war natürlich erforderlich. Alcatel-Lucent hielt bisher 67 % von Alcatel Alenia Space und 33 % von Telespazio.
    Erst am 28. November 2006 hatte die EU Kommission die Phase II der Untersuchungen bezüglich des Transfers dieser Anteile begonnen. In der Kommission ist man besorgt, weil man fürchtet, dass es im Bereich Wanderfeldröhren (Traveling Wave Tubes bzw. TWT) keine Konkurrenz mehr gibt. Für die Bereiche Transport und Sicherheit hatte die Kommission dagegen schon Anfang November Grünes Licht gegeben.
    Für April 2007 erwartet man das Ende aller amtlichen Hürden. Dann werden 11.000 Mitarbeiter, die aber jetzt schon nicht mehr bei Alcatel-Lucent mitgerechnet werden, zu Thales transferiert.
    Insgesamt wird Alcatel-Lucent von Thales 710 Millionen Euro und 25 Millionen Aktien erhalten. Weitere Zahlungen sind möglich, denn Anfang 2009 soll der Wert der Anteile an Alcatel Alenia Space von unabhängigen Experten noch einmal bewertet werden.
    Im Endeffekt steigt der Anteil von Alcatel-Lucent an Thales von bisher 9,46 % auf 20,95 %, gleichzeitig sinkt der Anteil des französischen Staates von 31,26 % auf 27,29 %.

Auch Nortel UMTS wird jetzt integriert
    Die bereits angekündigte Übernahme des UMTS Funkzugangsgeschäftes (UTRAN bzw. UMTS Radio Access Network) von Nortel wird nun finalisiert. Am 4. Dezember 2006 wird die bereits im September vorbesprochene Übernahme um 320 Millionen Dollar vertraglich vereinbart. Diese Geschäftseinheit von Nortel hat weltweit 16 Netze als Kunden. 1.700 Mitarbeiter von Nortel, darunter 1.100 aus Forschung und Entwicklung, werden zu Alcatel-Lucent wandern. Die praktische Durchführung der Übernahme wird noch vor Jahresende 2006 erwartet.

Das normale Geschäft beginnt
    Ebenfalls am 4. Dezember konnte Alcatel-Lucent den ersten Auftrag unter neuem Namen verkünden: Hutchison Global Communications Limited (HGC) wird seine Kunden von Alcatel-Lucent in Hongkong mit «Managed Communications Services» (MCS) versorgen lassen: Kommunikationsserver, Applikationen, Netzdienste und das Management von Installationen in KMU (Kleine und Mittlere Unternehmen).
    HGC wird die Alcatel-Lucent OmniPCX Office Sprach-, Daten- und Internet-Server zusammen mit den eigenen Netzwerkdiensten anbieten.

fak

Links:
http://www.alcatel.com/
http://www.alcatel-lucent.at
http://www.alcatel-lucent.com/
http://www.dhs.gov/
http://www.finmec.com/
http://www.finmeccanica.com/
http://www.ftc.gov/
http://www.ftc.gov/ftc/antitrust.html
http://www.hgc.com.hk/
http://www.lucent.com/
http://www.nortel.com/
http://www.telespazio.it/
http://www.thalesgroup.com/
http://www.usdoj/atr/
http://www.ustreas.gov/offices/international-affairs/exon-florio/




MOBILE TIMES Home Letzte Überarbeitung: Montag, 11. Februar 2008
© 2006-2008 by Mobile Times
Valid HTML 4.01!