Die Monsterhochzeit zwischen Nokia und Siemens | |
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(Frankfurt am Main, 2006-06-19) Ein neues Unternehmen mit dem Namen «Nokia Siemens Networks», das 2005 rein rechnerisch einen Jahresumsatz von 15,8 Milliarden Euro generiert hat, entsteht aus der Netzwerk-Sparte von Nokia und dem Siemens-Geschäft mit Netzbetreibern (Carrier Networks). Das neue Unternehmen wird rechtlich selbständig sein und den beiden Müttern zu je 50 % gehören. Wer allerdings das Kommando hat, ist klar: Das Hauptquartier des neuen Unternehmens kommt nach Finnland, Aufsichtsratspräsident von «Nokia Siemens Networks» wird Nokia-CEO Olli-Pekka Kallasvuo, und CEO wird Simon Beresford-Wylie, der derzeit dem Netzwerkbereich bei Nokia vorsteht.
Immerhin wird Peter Schönhofer, der derzeit noch Mitglied des Vorstands der Siemens AG Österreich ist, Finanzvorstand von Nokia Siemens Networks. Das bedeutet wohl, dass Siemens Österreich den Vorstand schon wieder neu gestalten muss. Auch die Formulierung, dass Nokia Siemens Networks neben der Zentrale in Helsinki «eine starke regionale Präsenz in München haben» wird, wo drei der insgesamt fünf Geschäftseinheiten residieren sollen, dürfte als Trost für die Siemensianer dienen.
Nach dem Zusammenschluss, der noch der Zustimmung der zuständigen Kontrollbehörden bedarf, wird Nokia Siemens Networks bei Nokia konsolidiert und bei Siemens «at equity» ausgewiesen. Ein weiters Indiz, dass sich Siemens langfristig wohl vom Netzbau trennen wird.
Sinn der Fusion sind natürlich die «angestrebten Synergieeffekte» von rund 1,5 Milliarden Euro, die bis 2010 erreicht werden sollen. Die dazu gegebenen Stichworte sind: Harmonisierung von Geschäftsabläufen, Rationalisierung der Vertriebs- und Marketingaktivitäten, niedrigere Gemeinkosten, stärkere Einkaufsmacht und höhere Effizienz der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. So nebenbei erfährt man auch, dass der Grossteil der Effekte bereits in den ersten beiden Jahren realisiert werden soll und auch eine Anpassung der anfänglich insgesamt rund 60.000 Arbeitsplätze in der Grössenordnung von 10 bis 15 Prozent beinhaltet. 6.000 bis 9.000 Arbeitsplätze werden damit überflüssig.
Nokia und Siemens erwarten, dass sich die Transaktion vor Restrukturierungskosten bis Ende des Jahres 2007 positiv auf ihre Ergebnisse je Aktie auswirkt.
Natürlich ist diese Fusion auch Stoff für Analysten. So meinte etwa Terry White von InfoTrack u. a. dass diese Fusion es Nokia ermöglicht, sich auf das Primärgeschäft mit den Endgeräten zu konzentrieren. Die wahre Frage sei aber, was mit dem Geschäft für Unternehmenskommunikation von Siemens passiert. White erinnert daran, dass es früher Gerüchte gegeben habe, dass Siemens diesen Bereich durch Zukäufe stärken will. In letzter Zeit hätten die Gerüchte gedreht und sprechen jetzt davon dass Siemesn die Sparte Unternehmenskommunikation abstossen will. Als Käufer sind nach jüngsten Gerüchten Avaya und Nortel im Gespräch. Avaya könnte in Europa bereits auf bestehende Systeme zurückgreifen und relativ grosse Synergiepotentiale realisieren, während für Nortel so ein Zukauf vor allem in Europa eine Expansion bedeuten würde.
Das Nokia Siemens Team
Inzwischen liegt auch die Gesamtführung des neuen Netzbauunternehmens fest. Zusätzlich zu CEO Simon Beresford-Wylie (bisher Nokia) und CFO Peter Schönhofer (Siemens) wird Mika Vehviläinen (Nokia) als COO agieren. Er ist derzeit «Senior Vice President & General Manager, Core Networks, Nokia». Karl-Christoph Caselitz (Siemens) wird CMO. Er ist derzeit noch «President of Mobile Networks, Siemens Communications».
Der Markt
Wie die Marktposition des neuen Unternehmens aussehen wird, ist nicht ganz klar, denn die verschiedenen Marktforscher kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Synergy Research Group (Reno/Nevada) liefert für das erste Quartal 2006 folgende Positionsangaben am Weltmarkt: |
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und für EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) sieht es laut Synergy Research im ersten Quartal 2006 so aus: |
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Die Dell'Oro Group (Redwood City/Kalifornien) sieht Nokia & Siemens auf Basis der Marktzahlen weltweit nur auf dem dritten Platz:
Dell'Oro hatte Ende Mai auch gemeldet, dass der Markt für Mobilfunkinfrastruktur im ersten Quartal 2006 im Jahresvergleich um 15 % zurückgegangen ist. Besonders stark sei der Rückgang im Bereich CDMA gewesen, wo die Netzbetreiber auf die neue Version CDMA 1X-DO-EV Revision A warten, bevor sie neue Aufträge erteilen. Zuwächse hätte es nur bei WCDMA (UMTS) gegeben. |
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Eine von den beiden fusionierenden Partnern zusammengestellte Liste sieht wieder so aus: |
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Und was kommt jetzt?
Die Zusammenlegung der Netzaktivitäten von Nokia und Siemens wirft natürlich auch Fragen auf, denn es handelt sich ja nicht bloss um eine Reduktion der Zahl der Anbieter und um Positionskämpfe in einer Tabelle, auch wenn das durchaus auch eine Rolle spielen kann.
Einig sind sich die Analysten eigentlich nur darüber, dass die Fusion für Nokia und Siemens gut ist, weil beide Unternehmen entweder weniger verlieren oder mehr verdienen werden. Einig ist man sich auch, dass der Abstand zwischen den neuen «Grossen» und den Verfolgern grösser wird. Alcatel/Lucent, Ericsson/Marconi und Nokia/Siemens sind eine Liga, während Cisco, Huawei, Juniper, Motorola, NEC, Nortel usw. in einer zweiten Liga spielen.
Für Juniper Networks, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Siemens machte, könnte die Fusion ebenso bitter werden wie für NEC. Schliesslich hat im neuen Unternehmen Nokia offensichtlich die Führung und Nokia kooperiert erfolgreich mit Cisco Systems. Ausserdem hat Juniper ein Joint Venture mit Ericsson, was Nokia wohl auch nicht gefällt. Nach der Ankündigung von Nokia Siemens Networks fielen die Aktien von Juniper um 56 Cent auf US$ 16,23.
NEC war für Siemens bisher der wichtigste Partner beim Bau von UMTS-Netzen. In diesem Bereich sah sich die Kombination Siemens/NEC sogar als Marktführer. Ein Kombination, die es in der bisherigen Art wohl nicht mehr geben wird, denn warum sollte Nokia die eigene Produktlinie, die es ja schon gibt, für NEC aufgeben?
Da fällt dann schon kaum mehr ins Gewicht, dass auch Qualcomm durch das Joint Venture von Nokia und Siemens Aufträge verlieren wird. Das fällt im ersten Moment nicht so auf, weshalb es bei den Analysten nicht vorkommt, aber Siemens hat in den letzten Monaten sehr stark FLASG OFDM gepusht. Das kommt von Flarion und die gehört ja schon länger Qualcomm. Und ob eine Nokia-Führung ausgerechnet bei Qualcomm einkauft?
fak
Links:
http://www.delloro.com/
http://www.srgresearch.com/
http://www.siemens.com/
http://www.nokia.com/
Letzte Überarbeitung: Montag, 11. Februar 2008
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